Die Kirche ist gefragt
Die Situation um das Covid19 und kürzlich die Ermordung des Afro-Amerikaners George Floyd erfordern eine starke Reaktion nicht nur der christlichen Kirchen der USA, sondern der christlichen Kirchen weltweit, in unserem Fall der Vineyard-Bewegung Deutschland, Österreich, Schweiz. Wirhaben ein globales Problem und sind allesamt gefordert, Stellung zu beziehen.
Ich möchte zuerst mein Mitgefühl zum Ausdruck bringen gegenüber der Familie von George Floyd und allen marginalisierten Menschen in den Vereinigten Staaten und anderswo, mögen sie AfroAmerikaner, Afrikaner, Asiaten, Weiße oder Menschen mit indigenen Wurzeln sein. Marginalisierung und Unterdrückung sind immer gegen die ganze Menschheit und den Aufruf von Jesus Christus zur Versöhnung gerichtet. Die nicht enden wollende Beschuldigung von Menschen unterschiedlichen Glaubens, Geschlecht, Rasse und politischer Überzeugung zerstört das friedliche Zusammenleben und letztlich die Gesellschaft. Sie zeigt die Verleugnung der Menschenwürde und des Respektes gegenüber Menschen mit anderer Überzeugung und anderem sozioökonomischen oder ethnischen Hintergrund.
Woher auch immer Covid19 gekommen ist: das Virus zeigt, dass weniger privilegierte Menschen auch weniger Mittel haben, diese Krise sowohl gesundheitlich als auch wirtschaftlich zu überwinden.
Das ist nicht vornehmlich ein amerikanisches Problem, wie schon der kanadische Premierminister Justin Trudeau geäußert hat. Es ist auch ein europäisches, wenn nicht weltweites Problem. Statt lediglich mit dem Finger auf die USA zu zeigen, sollten wir uns selbst hinterfragen, wo immer wir ähnliches Benehmen oder vergleichbare Verhaltensmuster in unser Kultur wahrnehmen.
Genug ist genug – Lasst uns Buße tun
Christen sind dazu berufen auf Gottes Wort und den Heiligen Geist zu hören, ja die Einladung zu Umkehr, zu Buße anzunehmen. Gott erlaubt offensichtlich gewisse Dinge, damit wir wieder bereit dazu werden, auf Ihn zu achten.
Busse oder Umkehr bedeuten sich ganz Gott hinzuwenden. Es heißt nicht, dass man zuvor etwas falsch gemacht haben muss, um umzukehren, es bedeutet, dass wir unsere Aufmerksamkeit vollständig dem Herrn zuwenden. Wir wollen Ihn fragen: “Was sagst du zu dieser Situation?» «Was sollen tun?” Dann wollen wir radikal umdenken und die notwendigen Konsequenzen daraus ziehen, was Gott uns als unsere Verantwortung gezeigt hat.
Im Fall von George Floyd, der: “I can’t breathe (ich kann nicht atmen),” sagte, müssen wir uns in der westlichen Welt auch fragen, wann und wie wir Menschen die Luft zum Atmen nehmen. War der Mord an George Floyd einfach der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen brachte, ein Funke, der ein globales Feuer des Widerstands gegen jede Form von Überlegenheitsgefühlen der «weißen» Welt auslöste? Wie lange haben wir andere Kontinente ausgebeutet? Wie lange haben wir Gedanken gepflegt, dass unsere Kultur anderen überlegen ist? Wie lange haben wir unsere Ohren gegenüber materiell Benachteiligten verschlossen und sie für ihre Lebenssituation verantwortlich gemacht? Wie lange haben wir gedacht, dass wir «Weiße» die Welt besser verwalten können? Weshalb wird soziale
Gerechtigkeit immer wieder mit Sozialismus gleichgesetzt? Wir brauchen als Kirchen ein Umdenken; wir brauchen Verhalten, Gewohnheiten und letztlich eine Kultur, die auch in diesen Fragen das Reich Gottes widerspiegelt. Daran werden wir einst gemessen werden.
Die Kirche muss aufstehen und die Stimme erheben
Hier geht es nicht um Politik. In dieser Situation geht es um die Menschheit und Respekt für alle Menschen, die von dem einen Gott geschaffen worden sind. Die Kirche Jesu Christi darf es sich nicht weiter erlauben bei Ungerechtigkeit, Ausbeutung, Rassismus und falschen Anschuldigungen gegen
Andere wegzuschauen. Die Kirche ist Gottes Werkzeug, durch das Gerechtigkeit, Liebe und Frieden manifestiert werden. Die Kirche ist die Vertreterin des Reiches Gottes, in dem es keinen Rassismus, keine Ausbeutung, keine Anschuldigungen und keine Bevorzugungen von Einem gegenüber dem
Anderen gibt. Wer, wenn nicht die Kirche, kann deshalb zur Gesellschaft, zu den Leidenden und Zerbrochenen sprechen?
Christenmenschen kennen weder Rassismus noch Nationalismus
Pfingsten ist die einzigartige Feier der Geburt der Kirche von Jesus Christus. Als Jesus Christus seinen Geist auf «alles Fleisch» ausgoss, zeigte er damit, dass alle Menschen gleich sind und auch gleichbehandelt werden müssen. Christus haucht uns seinen Geist ein, durch den wir Gerechtigkeit atmen können. Diese Botschaft ist die Botschaft der Kirche von Jesus Christus, unabhängig davon, welchen Hintergrund Menschen haben. Wenn wir Gal. 3,28 lesen, wird uns diese Tatsache noch viel klarer: «Hier gibt es keinen Unterschied mehr zwischen Juden und Griechen, zwischen Sklaven und freien Menschen, zwischen Mann und Frau. Denn durch eure Verbindung mit Jesus Christus seid ihr alle zusammen ein neuer Mensch geworden.» So lautet das Vorbild des Reiches Gottes. Nur Gottes Geist kann unsere Herzen verändern!
Die Kirche hat den Dienst der Versöhnung
Eine der vorzüglichsten Berufungen der Kirche ist der Dienst der Versöhnung. Der Dienst der Versöhnung zwischen Gott und den Menschen, aber auch zwischen den Menschen. Die Botschaft der Versöhnung ist die Botschaft des christlichen Glaubens. Sie ist nur dann glaubwürdig, wenn wir unsere Stimme gegen jede Form von Ungerechtigkeit, Ausgrenzung, Rassismus, Nationalismus und den Mangel an sozialer Gerechtigkeit erheben. Eine schweigende Kirche ist eine tote Kirche!
In all dem folgen wir unserem Herrn Jesus Christus und seinem Vorbild. Die Voraussetzung zur Gleichheit aller Menschen ist die Liebe, Annahme und Vergebung Jesu Christi allen Menschen gegenüber. Wir wollen im Gebet dafür einstehen, dass Christi Weg der Versöhnung erkannt wird.
Sollten wir nicht aufrichtig Gottes Gegenwart über unserer Sünde der Gleichgültigkeit suchen? Wie wäre es, wenn die Gemeinde Jesu den Unterschied ausmachen würde, in einer Welt, die inhaltlich auseinanderfällt? Wie wäre es, wenn wir unsere Stimme für Gerechtigkeit, Vergebung und die
Gleichheit aller Menschen erheben? Wie wäre es in unseren Kirchen die Kanzel für Menschen mit anderem Hintergrund zu öffnen?
Unser Mitgefühl gehört all denen, die unter Ungerechtigkeit, Rassismus und Ausgrenzung leiden. Wir beten für sie, aber auch für uns, damit wir unsere Augen öffnen und unsere Stimme hören lassen.
Martin Bühlmann // Juni 2020
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